11.November

haseichweissvonnix

Auf dem Teppich sitzen und auf andere zeigen.

Warum wir erst jetzt so öffentlich darüber sprechen?

Wir wissen ja schon lange, dass Nils Tod vermeidbar gewesen ist.

Diese lange, bittere und einen mit Fassungslosigkeit erfüllende Geschichte ist von Anfang an Teil unserer Trauer.
 Also der von uns und einigen Menschen.

Freunden, Vertrauten und erwachsenen Familienangehörigen.

Die Kinder wussten, wie die meisten von euch bis zum letzten Wochenende nichts davon.
Wie hätten wir ihnen das sagen sollen?
 Und vor allem, wie hätten wir ihnen erklären sollen, dass zwar alle wissen, das Fehler gemacht wurden und dies nicht nur vielleicht, sondern nachweislich, also eindeutig (so eindeutig, dass man ganz blass wird, wenn man das begriffen hat), wie hätten sie verstanden, dass niemand bereit und in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen?
 Dass ein Krankenhaus voll von Leuten ist, deren grösste Angst zu sein scheint, Fehler einzugestehen? Wo aber Fehler passieren, kleine und schrecklich grosse? 
Deren Angst soweit geht, dass sie noch nicht einmal schaffen, eine Karte, Blumen oder so etwas Banales zu schicken. Ein Mitgefühlzeichen, so Beileidszeug eben.
 Könnte ja als Schuldeingeständnis gewertet werden. (…. verletzend? Ohja. Sehrsehrsehr)

Wir versuchen unsere Kinder zu Ehrlichkeit zu erziehen.
 Dazu, aufrecht zu stehen, auch wenn ihnen mal was passiert, was nicht richtig ist.
 Nicht zu lügen. Und wenn, den Weg aus der Lüge zurück zu finden. Den schweren, blöden.
 Ich kenne den, jeder kennt den. Keine Angst zu haben.
 Wie hätten wir ihnen das alles erklären sollen?

Also sind wir den offiziellen Weg gegangen, und je grösser das Schweigen wurde und je lauter der Besen strich, der alles unter den Riesen-Teppich kehren wollte, umso überzeugter waren wir, dass irgendwann irgendwas passieren wird und wir dann mit ihnen sprechen und abschliessend sagen können: Aber dann war es irgendwie gut. Aber was, wenn der Teppich abgelegt wird, mit Drecksbeule zwar, aber alle machen eben einen Schritt drüber?  Und zeigen wedelnd wie wild in einen andere Richtung, „Aber die sind schuld, aber deshalb funktioniert nichts!
“ Könnte ja passieren, könnte.

Wir handeln nicht aus Rache. Oder Hass.(ich hoffe, niemand denkt so etwas) Und auch nicht, weil wir hysterische Eltern sind, die den Tod ihres kleinen Sohnes nicht anders verarbeiten können. Das hätten wir auch so geschafft. Wir machen dies alles, damit sich was verändert.
 Im Umgang mit Fehlern, mit Patienten, mit dem Tod, auf dieser Station und überall im Krankenhaus.
Was wir uns wünschen?
 Echte Entschuldigungen, lautes verantwortlich sein, keine Angst.
 Veränderung. Für die unglaublich mutigen, wunderbar lauten Eltern, die gerade auf der Station sind und für ihre Kinder. Für Nils auch irgendwie.

Unsere Kinder haben die Wahrheit übrigens verKRAFTet.
 Sie waren die einzigen, die wir schützen wollten.
 Deshalb erst jetzt.

Fragt, wenn Fragen sind. Und teilt es gern, verlinkt es, sagt es weiter.

hier noch ein weiterer Artikel.

 

19 Kommentare zu „11.November“

  1. Oh Melanie! Das es ist mir nicht neu! dieser Pflegenotstand, der auch von der Regierung und Kassen nach vorne getrieben wird. Schon als ich meine Ausbildung gemacht habe, war klar, dass die Personaldecke niemals ausreichen wird. Und in Zeiten der Sparmaßnahmen, würden noch mehr Stellen reduziert. Am Ende leiden nicht nur die Schwestern unter dem Druck, sondern vor allem die Patienten und Angehörigen.
    (ich darf mich nicht weiter aus dem Fenster lehnen… :'( entschuldige)
    Es tut mir unglaublich Leid,
    Andrea

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    1. Danke, Andrea! Wir (also unsere Familie), wir sehen zwar auch die Pflegenotstandsproblematik. Wir gehen allerdings noch weiter. Denn die Pflegekräfte sind ja nur die, die es ausbaden müssen. Auf die es geschoben wird. Vielleicht sind die Ärzte auch noch recht weit unten in der Hackordnung. Aber immerhin soweit oben, dass sie geschützt werden. Oder gedeckt werden. Wie auch immer. Die, die da oben Angst machen und Macht haben und die die schneeweissen Kittel tragen. (wenn überhaupt) Die sollten sich verantwortlich fühlen. Und leiden. Öffentlich.

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      1. Ich drücke dir die Daumen, das ihr denen ordentlich auf die Füße treten könnt. Schon wegen eurem Nils. Ja, du hast recht, die Schwestern stehen fast ganz unten. Die, die es verbockt haben, stehen sehr viel weiter oben

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  2. Bin einfach sprach- und fassungslos. Es macht auch mich wütend und es darf vor allem nicht todgeschwiegen werden. Wie gut dass so viel, auch du darauf aufmerksam machen, laut sind! Ich wünsche dir und deiner Famileie so viel Kraft liebe Melanie und fühl dich lieb gedrückt
    Christel

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