Von Jetzt und Freaks. Und vom Netz.

Bei der letzten Lesung wurde ich gefragt, was denn „Jetzt“ wäre.
Wenn in meinem Buch  „Von Tod und Wut. Und von Mut.“ die Rede ist, welches Wort als nächstes käme, würde ich die Geschichte weiterschreiben.

Ich fand die Frage gut und wusste keine Antwort.
Naja doch. 
Aber nicht wirklich.

Die nächsten Kapitel sind, vielleicht zum Glück, nicht besonders aufregend und daher kein Buch wert, das Leben geht so weiter und kein Wort wäre irgendwie passend, sagte ich, glaube ich.
Würde ich mir mal Gedanken dazu machen.

Und nun sitze ich hier, denkend, habe aber immer noch keine richtige Antwort gefunden.

Vielleicht ist die Frage falsch. Denn die Geschichte im Buch endet richtig.
Mit Mut und dem Punkt.
Trotzdem: Wie lebt es sich weiter? In echt?
Was geschah dann, wo bin ich jetzt und wie fühlt es sich an?
Sicher hat mich der Tod meines Kindes verändert.
Genauso sicher hätte mich jede Variante von Leben verändert.

Ich fühle mich oft nicht gut, aber bestimmt würde ich mich auch oft nicht gut fühlen, wäre all das nicht passiert.
Ich fühle mich auch oft gut, obwohl passierte was passierte.
Ehrlich gesagt frage ich mich sehr selten, wie sich „meine Trauer“ anfühlt,
weil sie nichts ist, was neben meinem Leben stattfindet.
Sie ist da drin.

Natürlich hat sie mich verändert, zum Guten wie zum Schlechten.

Aber hey- 
Wieviele Leute haben sich in der letzten Zeit zu Freaks entwickelt, ohne dass deren Kind starb?
Ich finde, da gehe ich fast noch.
Mal ganz subjektiv gesehen.

Die Trauer hat mich jedenfalls absolut nicht zu einem besseren Mitmenschen gemacht, nur weil ich tröstende Bücher mit lichten Dingen geschrieben und gezeichnet habe.
Sie hat mich immerhin nicht zerstört oder bitter gemacht.

Aber wer weiß.

Letztens sagte eine Person, mein Trauma wäre nicht ihr Problem.

Eines meiner recht neuen Probleme, die ich auf Trauer-nicht Trauma- zurückführen würde, sind Menschen,
deren Problem es ist, dass ich nicht ihres sein soll, ohne dass ich sie darum gebeten hätte.

Durch mein Netz fällt jetzt einfach viel viel mehr durch.
Es ist stark, hat aber große Löcher.


11 Kommentare zu „Von Jetzt und Freaks. Und vom Netz.“

  1. Gute Gedanken!
    Das mit dem Netz ist mir bei mir auch schon aufgefallen. Ist aber gut so! Mit der Zeit lernt man was und wer einem noch wichtig ist und sich was einem gut tut. 💛

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  2. Ich fand das Nils – Buch sehr berührend. Dein Neues – die Kerzentiere – werde ich jetzt bald zu einem traurigen Anlaß verschenken. Später – jetzt ist es noch zu nah am Tod des Kindes – das 1. wohl auch. Danke, Gundula

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  3. Unfassbar! Und es sollte nicht Dein Problem sein, dass diese Leute ungefragt meinen, dass Deine Trauer nicht ihr Problem ist. So Leuten kann man nur sagen: Danke für garnichts und ein schönes Leben im Land der Einhörner noch! Die können ruhig durch die Löcher in Deinem Netz fallen. Liebe Grüße Laura

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  4. Sieht gefährlich aus auf deinem Netz. Ich würde mich da nicht hinauf trauen. Und doch erkenne ich mich wieder. So viele sind in den letzten Jahren durch mein Netz gefallen. Und jedem/jeder Einzelnen blicke ich verwundert nach… jetzt also auch noch der/die. Es wird einsam da oben, aber auch sehr, sehr frei.

    Danke für die Inspiration und das entzückende Bild.

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