später

gähn

Ich bin so müde.
Jedes Einatmen fühlt sich wie der Anfang von Gähnen an.
Dabei kann ich schlafen, soviel ich will, werde nachts höchstens mal von der Katze benachrichtigt, dass sie sich jetzt an meine Beine kuscheln wird.
Ich habe keinen Grund zu jammern und eigentlich doch jeden.
Aber mein Grund ist so leergedacht, so wiedergekäut.
Je länger man trauert, je erfahrener man darin wird, je mehr man erfährt, erlebt und auch woanders mitansieht, umso leerer denkt es sich in einem.
Ich bin gelangweilt von mir und meinem Denken, dass sich permanent um mich selbst und um die Tatsache dreht, dass mein Kind tot ist.
Immer meine Befindlichkeiten.
Ichichich.
(…)
Ich lese das, was ich bis hierher schrieb und der Ton vom Text geht auf und nieder und die Wörter leiern dahin, ich breche fast.
Ja, ich.
Bra bra bra bra.
So müde bin ich, dass ich nicht mal mehr meine Wut wecken kann.
Und ohne meine Wut schläft auch mein Mut.
(JA- schon wieder – m e i n e r !)
Aber ohne Mut?

Ohnmut.

Ohnmacht.

Unmut.

Unmacht.

Macht.

(An diesem Punkt würde wohl mein Kopf auf die Tastatur knallen. Ich schlafe.)

13 Kommentare zu „später“

  1. Ich habe so viele Wörter, Gedanken für dich, über dich und euch in meinem Kopf. Könnte Seiten schreiben. Und doch kommt nicht mehr heraus als…
    Ich Denk an dich!
    Schick dir Licht und Kraft!

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  2. Liebe Melanie,
    ich lese und schaue und fühle schon lange, meistens still, bei Dir mit…Ich danke Dir so sehr, dass Du Deine Gedanken mit uns teilst! Auch die müden! Ich für meinen Teil werde nie müde, das aufzunehmen, was Du mit uns teilen willst…
    Alles Liebe und viel Kraft und viel Mut! Und auch Wut, wenn die gerade dran ist! Und Ruhe, wenn die Müdigkeit sie einfordert…All das wünsche ich Dir.
    Andrea

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  3. Was sollen wir nur mit uns anfangen, wir Hinterbliebenen? („Hinterblieben“, was für ein schreckliches Wort, kommt gleich nach „hätte“…)

    Meistens machen wir natürlich weiter, kümmern uns um die, die uns brauchen im Hier und Jetzt. Freuen uns mit ihnen, machen neue Erfahrungen, gönnen uns etwas. Und auch wenn wir müde sind, gelingt es uns vielleicht, mal nicht immer daran zu denken, dass da was fehlt. An das Loch in unserer Seele. Es verheilt, klar, aber es bleibt ein Loch, wie eine Zahnlücke. Die geliebte Heimat, das vertraute Zuhause wird zur Topographie der Traurigkeit. All die Orte, wo wir zusammen waren, am Ende überschattet von der Krankheit. All die Orte, wo wir noch hinwollten, damals, als wir noch dachten, es wird alles gut. Gestohlene Erfahrungen. Gestohlene Zeit.

    Weißt du, manchmal wünschte ich, ich hätte eine Erfahrungs-Übertragungs-Maschine. Dann könnte ich neue Erfahrungen sammeln, wie in einem Herbarium. Wie die Sonne über dem Meer aufgeht und kalter Sand warm wird. Der Geruch von wildem Rosmarin. Wie es sich anfühlt, einen Elefanten zu streicheln. Wie die neuen Schokokugeln schmecken. Wie Venedig bei Nacht aussieht. Und wenn sie mich dann im Traum besuchen kommt, dann teilen wir diese Erfahrungen, und sie kann sie selber fühlen und sehen und riechen und schmecken. Und dann wäre das Gestohlene vielleicht nicht mehr ganz so enorm, der Diebstahl kein ganz so schlimmes Verbrechen mehr.

    So eine Maschine habe ich nicht. Aber die Erfahrungen, die kann ich ja trotzdem weiter sammeln. Denn auch, wenn ich manchmal so müde bin, dass ich mein Bett nicht verlassen mag: Dasselbe Verbrechen, denselben Diebstahl an mir selbst zu verüben, erscheint mir wie Hohn. Und vielleicht hilft es ja ein ganz kleines bisschen, sich einzubilden, dass man die Erfahrung nicht nur für sich selber macht. Zumindest im eigenen Herzen, im eigenen Kopf. Damit man aufsteht, auch wenn man müde ist – nicht immer, aber oft. Vielleicht sogar oft genug.

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  4. Hilfe suchen, Melanie, professionelle Hilfe meine ich, manchmal geht es nicht anders, und dann geht es wieder.
    Und ich glaub, es denken viele an dich und mit dir und wie du.
    LG Anna

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  5. leergedacht was für ein Wort, es beschreibt so dieses Gefühl, ich kenne es auf eine andere Weise.
    Vielleicht kannst Du ein bischen überbrücken mit einer großen Portion Mitmut, Mitfühlen und an Dich denken, von hier zu Dir,
    von Herzen Silke

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  6. Liebe Melanie,
    alles völlig normal im ver-rückten Zustand.
    Ausgelutscht und abgeschmiert. Resignation.
    Ich denke an Dich und fühle mit:

    Bin ich noch?

    Mein Ich fragt täglich: Bin ich noch?
    Kreisend um ein Kraterloch.
    Ein Ich ist hier, ein kleines dort.
    Ich Ich Er Er Wir beide – fort.
    Drum bleichen die Gedanken –
    trübe Geister wanken
    abgekämpft und müd‘ gedacht,
    wird’s Ich vom Leben ausgelacht.
    Leise fragt es: Bin ich noch?
    Mit Ach und Weh – ruft’s aus dem Loch.
    © Kerstin Hau

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  7. Nur Mut!
    Diese Art Müdigkeit vergeht nie ganz, weil das Erinnern, aber vor allem das Vermissen nie aufhört.
    Aber, nur Mut, bitte!!!

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  8. Ja, das gehört dazu. Nein, es gibt kein Recht darauf, von dir „Funktionieren“ zu erwarten.

    Habe ich dir schon Peter Pohl „Du fehlst mir, du fehlst mir“ empfohlen? Sehr sehr sehr intensive Bücher, und deine Bilder lassen mich manchmal an seine Bücher denken.

    (Offtopic: Hier wurde gestern ein Kerzenbild aufgehängt, als Schutzengel-Pferd an der Zimmertür, davor stand es im Regal. Danke)

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